Metronom (1865)

Metronom, Metrometer, Rhythmometer, Taktmesser - ein Instrument mittels dessen jeder Grad von Schnelligkeit des Zeitmaßes genau angegeben werden kann. Indem die als Tempobezeichnungen dienenden Worte, als Adagio, Allegro, Presto etc., doch immer nur sehr allgemein sind, und den vom Komponisten für sein Tonstück gewünschten Schnelligkeitsgrad der Bewegung dem Ausführenden nur sehr unbestimmt andeuten, lag es nahe, auf Erfindung eines Mechanismus zu denken, mittels dessen dieser Übelstand gehoben und jedes beliebige Zeitmaß ganz genau fixiert und mitgeteilt werden könnte.

Schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts erfand der um die Akustik verdiente Sauveur, Professor der Mathematik zu Paris, eine Art Uhrwerk, durch dessen Pendelschläge die Geschwindigkeit der Bewegung des Taktes oder dessen Glieder oder Gliedteile bestimmt werden konnte. Ihm folgten Pelletier, Harrison und (um 1788) Duclos mit ähnlichen Vorrichtungen. Ferner Gottfried Weber (Leipz. Allgem. Mus. Zeitg. Bd. XV und XVI) und schon vor ihm Gutmann, Weiske, Wenk, Bürja und besonders der Cantor Stöckel zu Burg, welcher von einer derartigen durch ihn gemachten, bereits sehr vollkommenen Erfindung in der Allgem. Mus. Zeitg. vom Jahre 1806 (Stück 38 und 39) eine Beschreibung gibt. Dieser zufolge war sein Metronom oder Chronometer eine auf einem 4 bis 41/2 Fuß hohen Postamente, in welchem ein Pendel und ein Gewicht von 4-5 Pfund Schwere hingen, aufgestellte Uhr von mittlerer Größe. Auf dem Zifferblatte derselben befindet sich eine Reihe von 0,1,2 etc. bis 84 fortlaufender Zahlen, welche ebenso viel Grade der Geschwindigkeit ausdrücken; und zwar entspricht die 0 dem niedrigsten, jede nächstfolgende aufsteigende Zahl dem nächst höheren Grade. Sobald man einen am Zifferblatte befindlichen Zeiger auf eine Zahl dieser Skala rückt und den Mechanismus in Tätigkeit setzt, markiert eine Glocke, durch schneller oder langsamer aufeinanderfolgende Schläge, das dieser Zahl entsprechende Zeitmaß. Außerdem kann durch einen zweiten Glockenschlag jedes dieser 85 Zeitmaßse verdoppelt (noch einmal so geschwind) angegeben werden. So vollkommen und sinnreich aber dieser Mechanismus auch ist, so hat er doch, wahrscheinlich seiner Künstlichkeit und Kostspieligkeit wegen, keine weitere Verbreitung gefunden und ist über dem, bei weit größerer Einfachheit und Billigkeit, doch durchaus zweckentsprechenden Metronom von Mälzel gänzlich in Vergessenheit geraten.

Dieses Mälzelsche Metronom, 1816 in Wien erfunden, nach anderen Angaben von Winkler in Amsterdam erfunden und von Mälzel nur verbessert, besteht aus einer am unteren Ende mit einem Gewicht belasteten Pendelstange, welche in einer etwa auf einem Viertel ihrer Länge angebrachten Axe auf einem Gestell ruht, und wenn man sie anstößt, seitwärts hin und her schwingt. Der oberhalb der Axe sich befindende längere Teil des Pendels ist in eine die Zahlen 50. 52. 54. 56 etc. bis 160 enthaltende Skala geteilt. Ein bewegliches Gewicht, welches die Schnelligkeit der Schwingungen des Pendels zu regulieren hat, lässt sich auf jede beliebige dieser Zahlen an der Pendelstange auf- und abwärts schieben, alsdann macht der Pendel so viele Schläge in einer Minute, als die Zahl, auf welche das Gewicht gerichtet ist, anzeigt. Findet man ein Tonstück z. B. mit "Viertelnote = 60 M. M." bezeichnet, so heißt dies, dass die Schnelligkeit der Viertelnoten durch die Schläge, welche der Pendel des Mälzelschen Metronoms gibt, wenn sein regulierendes Gewicht auf 60 gestellt ist, gemessen werden, die Zeitdauer einer Viertelnote = 1/60 Minute sein soll.

Eine noch etwas vollständigere Art dieses Metronoms markiert die Pendelbewegungen auch dem Ohr vernehmbar durch ein Schlagwerk, während man sie bei der einfacheren nur sieht, nicht hört. Nach Mälzels Angabe sind für die verschiedenen Taktarten und Schnelligkeitsgrade folgende Bezeichnungen geeignet:

Metronom (Dommer 1865)

Mälzels Metronom, Bezeichnungen für Taktarten und Schnelligkeitsgrade

An Stelle dieses Instrumentes genügt auch ein (schon von Gottfr. Weber vorgeschlagener) einfacher Fadenpendel, der entweder aus einem an dem einen Ende mit einer Bleikugel beschwerten Bande besteht, worauf die Zahlen verzeichnet sind; man erfasst das Band alsdann mit den Fingern auf irgend einer Zahl, deren Pendelgeschwindigkeit man wissen will, und setzt den Pendel in Bewegung, der nun ebenfalls soviel Schläge in der Minute ausführt als die Zahl beträgt. Oder man verzeichnet die Zahlenskala auf einer Holzleiste, und befestigt den Fadenpendel am oberen Ende derselben mittels eines Klemmstiftes, so dass man ihn beliebig verlängern und verkürzen kann; dann stellt man ihn so, dass die Kugel genau dem Teilstrich derjenigen Zahl, deren Pendelgeschwindigkeit man zu kennen wünscht, gegenübersteht, und lässt ihn schwingen.

Fasst man den Nutzen, welche solche Taktmaschinen (eine wie die andere, ohne Rücksicht auf ihre mehre oder mindere Vollkommenheit) gewähren, etwas näher ins Auge, so erscheint er durchaus unerheblich, denn man hat Beispiele, dass den Komponisten in Betreff der Metronomisierung ihrer eigenen Tonstücke nicht allemal zu trauen ist, und dass verschiedene Metronomangaben für ein und dasselbe Tonstück sich finden. Der Ausführende bleibt also im Wesentlichen auf sein Verständnis des Tonstückes hingewiesen. Besitzt er überhaupt musikalische Natur und Kenntnisse, so braucht er kein Metronom, fehlen ihm aber jene, so hilft ihm auch dieses nichts. Ein Dirigent oder Spieler, der seiner Taktmaschine Schritt für Schritt folgen will, kann nur etwas Maschinenmäßiges zu Stande bringen. Und tut er das nicht (wie vorauszusehen, wenn er einigermaßen Künstler ist), so ist das Metronom überflüssig. Man kann sagen, es hätte doch den Nutzen, dem Ausführenden die Taktbewegung überhaupt, vorausgesetzt dass die Metronomisierung richtig angegeben ist, mit unzweifelhafter Sicherheit zu vermitteln. Doch ist auch dieser Nutzen unerheblich; denn widerspricht das mitgeteilte Tempo der Auffassung und dem Verständnis des Ausführenden, so wird er es, ungeachtet des Metronoms, doch bald verlassen und unwillkürlich seiner eigenen Auffassung folgen. Besitzt aber der Ausführende hinlänglichen Scharfblick, so braucht er kein Metronom. Eigentlich ist es nur beim Studium von Fingerübungen, welche mit ganz strenger Taktmäßigkeit auszuführen sind, mit Vorteil zu verwenden. Dem wirklich einsichtsvollen Künstler aber genügen zum Vortrage jene Benennungen Allegro, Adagio etc., ungeachtet ihrer Allgemeinheit. Schließlich bedarf er selbst ihrer nicht einmal, denn er wird ein Allegro von einem Prestissimo ebenso gut wie ein Adagio von einem Allegretto schon aus sich zu unterscheiden wissen. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 562f]