Laute (1882)
Laute (arab. al Oud, span. Laud, ital. Liuto, franz. Luth, engl. Lute, lat. im 16.-17. Jh. Testudo), ein sehr altes Saiteninstrument, dessen Saiten gezupft wurden, wie die der noch heute üblichen Abarten der Laute, der Guitarre, Mandoline etc. Abbildungen der Laute finden sich bereits auf sehr alten ägyptischen Grabdenkmälern. Sie war später das Favorit-Instrument der Araber, durch welche sie nach Spanien und Unteritalien gelangte, von wo aus sie sich etwa im 14. Jahrhundert über ganz Europa verbreitete. Im 15.-17. Jahrhundert spielte sie eine große Rolle; Lauten-Arrangements von Gesangskompositionen waren für die Hausmusik etwa dasselbe wie heute die Bearbeitungen von Orchesterwerken oder Gesängen für Klavier zu zwei oder vier Händen. Daneben war aber die Laute zugleich verbreitetes Orchesterinstrument und wurde erst im 17.-18. Jahrhundert durch das Aufkommen der Violine und die Vervollkommnung der Klaviere allmählich verdrängt (vgl. Orchester).Was die Laute von der Guitarre unterschied, war einmal die ganz abweichende Form des Schallkastens: Die Laute hatte keine Zargen, sondern war unterwärts gewölbt (etwa wie ein halber Kürbis, wie die heutige Mandoline [um 1880]). Ferner hatte die Laute eine weit größere Anzahl von Saiten, von denen 5 Paar und eine einzelne (die höchste, für die Melodie) über das Griffbrett liefen, die übrigen aber (die Basssaiten, zuletzt 5, welche nur als leere Saiten benutzt wurden) neben dem Griffbrett lagen. Diese Baßchorden kamen zu Ende des 16. Jahrhunderts auf.Die Stimmung der Laute variierte nach Zeit und Art sehr. Die verbreitetsten Stimmungsarten im 16. Jahrhundert waren: G c f a d' g' oder A d g h e' a', im 17.-18. Jahrhundert: A d f a d' f' und für die Baßchorden (G) F E D C.
Eine kleinere Art der Laute war im 16. Jahrhundert die Quinterne (Chiterna, d. h. Guitarre), welche im Bau der Laute gleich war, aber nur vier Saitenchöre hatte. Im 17. Jahrhundert wurde die Quinterne bereits, wie die heutige Guitarre, flach gebaut.
Das Bestreben, den Tonumfang der Laute zu erweitern, führte zuerst zur Einführung der Baßchorden, die von dem im stumpfen Winkel nach oben gebogenen Hals mit dem Wirbelkasten aus direkt nach dem auf dem Resonanzboden befestigten Saitenhalter liefen. Um aber noch längere Saiten zu gewinnen, rückte man den Wirbelkasten für die Baßchorden etwas über den für die Griffsaiten hinaus, so dass etwa in der Mitte des einen der andere anfing (Theorbe), oder man bog erst jenseits des ersten Wirbelkastens den Hals nach oben zurück und brachte in seiner Verlängerung den zweiten für die Basssaiten an (Archiliuto, Erzlaute), oder man trennte endlich beide Wirbelkasten noch durch einen mehrere Fuß langen Hals (Chitarrone).
Man notierte für die Laute und ihre Abarten nicht mit der gewöhnlichen (Mensural-)Notenschrift, sondern mit besonderer Buchstaben- oder Ziffernschrift, welche nicht die Tonhöhe, sondern den Griff bezeichnete (Lautentabulatur). Doch war die Lautentabulatur in Frankreich, Italien und Deutschland durchaus verschieden: Die Italiener, denen wir ja auch die Generalbassbezifferung verdanken, bedienten sich der Zahlen, die Franzosen und Deutschen der Buchstaben. Dabei rechneten Italiener und Franzosen zunächst immer halbtonweise auf derselben Saite weiter, die Deutschen dagegen ebenso quer über alle Saiten weg, d. h. die Italiener und Franzosen, welche auf Linien notierten, die die Saiten vorstellten (die Italiener nahmen für die höchste Saite die tiefste von 6 Linien, die Franzosen die höchste von 5), bezeichneten mit 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 X X' X'' (ital.), resp. a b c d e f g h i j k l (franz.) eine jede leere Saite (0, a) und die nächstfolgenden zwölf resp. zehn
in Halbtonabständen auf derselben zu greifenden Töne, z. B. bei der Stimmung G c f a d' g':Dagegen nummerierten die Deutschen die leeren Saiten mit I 1 2 3 4 5 (= A d g h e' a') und sodann in derselben Weise querüberlaufend über die fünf höchsten Saiten mit a b c d e f g h i k l m n o p q r s t v x y z 9 a' b' c' d' etc., also:
so dass die obige chromatische Tonfolge ausgedrückt wurde durch:
(Die übereinander stehenden Buchstaben und Zahlen bedeuten denselben Ton; vgl. übrigens die Beispiele unter "Tabulatur".)
Für die tiefsten Saiten bedient man sich verschiedener Notierungsarten. Gerle (1545) notiert ähnlich wie die Italiener mit 1' 2' 3' 4' 5' 6' 7' 8' 9' [Striche über den Zahlen] (aber nicht 0 sondern 1' für die leere Saite) für die neun Töne in Halbtonabständen, Judenkünig (1523) wie die Franzosen mit A B C D E F G H I, Virdung (1511) dagegen mit Zeichen, die denen der ersten Saite (d. h. also eigentlich der zweiten) entsprechen: Ï A F L Q X AA FF etc.Die Lautentabulaturen sind für das Studium der Musik des 16.-17. Jahrhunderts so wichtig, weil bei ihnen alle jene Sonderbarkeiten der Mensuralnotierung, die Selbstverständlichkeit mancher ♭ und ♯, wegfallen und der Griff jederzeit genau notiert ist; sicherer und zuverlässiger als die oft unbestimmten und mehrdeutigen Angaben der Theoretiker vermögen daher sie über die Anwendung der Semitonien (mit ♯, ♭) in zweifelhaften Fällen Aufschluss zu geben. Über die rhythmischen Wertzeichen der Lautentabulaturen vgl. Tabulatur. Eine wertvolle Monographie über die Laute verdanken wir Baron ("Untersuchung des Instruments der Lauten", 1727). Vgl. auch Prätorius' "Syntagma" (1619) und von neueren Arbeiten die Kiesewetters (Allgemeine Musikalische Zeitung 1831)[1] sowie Wasielewskis "Geschichte der Instrumentalmusik im 16. Jahrhundert" (1878)°. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 508f]
[1] R. G. Kiesewetter: Die Tabulaturen der älteren Praktiker seit der Einführung des Figural- und Mensuralgesanges und des Contrapunctes, aus dem Gesichtspuncte der Kunstgeschichte betrachtet:
- Vorrede und Einleitung [AMZ 1831, 33]
- Erster Artikel: Die deutsche Tabulatur [AMZ 1831, 65]
- Zweyter Artikel: Die Lauten-Tabulatur [AMZ 1831, 133]
- Dritter Artikel: Orgel-Tabulaturen (angebliche) in Italien im XV. Jahrhunderte [AMZ 1831, 181]
- Vierter Artikel: Die italienische Tabulatur oder die bezifferten Bässe [AMZ 1831, 249 u. 272]
- Fünfter Artikel: Die Nosen-Tabulatur oder Partitur der alten Contrapunctisten [AMZ 1831, 365]