Kehlkopf (1929)

Kehlkopf. Der menschliche Kehlkopf gehört als Musikinstrument unter die Zungenpfeifen, richtiger Polsterpfeifen. Die Stelle der Zungen vertreten die beiden Stimmlippen (früher Stimmbänder genannt), welche in der Mitte der Schildknorpelplatte vorn und den beiden Gießbeckenknorpeln hinten befestigt sind und zwischen diesen in der Länge gespannt werden können. Schildknorpel und Gießbeckenknorpel bewegen sich auf dem Ringknorpel, der die feste Stütze für den ganzen Kehlkopf bildet, dementsprechend aufeinander zu oder voneinander weg. Zudem befindet sich noch ein Muskel der Länge nach in den Stimmlippen selbst, bei dessen Zusammenziehung diese kürzer, dicker und fester werden, so dass sie also auf einen höheren Ton in dreifacher Weise einstellen. Außerdem werden die Stimmlippen durch seitliches Gleiten der Gießbeckenknorpel an ihrem hinteren Ansatz einander genähert (Stimm-/Phonationsstellung) oder voneinander entfernt, so dass der Stimmspalt ein Dreieck bildet (Atem-/Inspirationsstellung).

Im Allgemeinen kann man sagen, dass langen, breiten Stimmlippen tiefe, kurzen, schmalen hohe Stimmlagen entsprechen. Ein bewusstes Infunktionsetzen dieser oder jener Muskeln ist nicht möglich. Die physiologischen Experimente zur Erforschung der Bedingungen, unter denen diese oder jene Modifikation des Klanges der Menschenstimme entsteht, sind daher für die Praxis des Sängers unfruchtbar und nur von wissenschaftlichem Wert. Leider sind [um 1930] indes auch dafür unzweifelhafte Ergebnisse kaum zu verzeichnen (vgl. Ansatz, Register usw.). Für diejenigen, welche in das Gebiet dieser Konjekturen eindringen wollen, sei K. L. Merkels Anthropophonik (1857) empfohlen; man findet dort auch über Kehlkopfspiegel usw. das Nötige. Vgl. auch J. Michael, Die Bildung der Gesangsregister (1887, mit Literaturangabe), Franz Wethlo, Versuche mit Polsterpfeifen (1913 in Passow und Schäfers Beiträgen VI, 3, Versuch, die Funktionen der Stimmbänder zu ergründen).

Bezüglich der sogenannten falschen Stimmbänder, welche über den eigentlich tonangebenden im Kehlkopfe liegen, ist die sehr plausible Hypothese aufgestellt worden, dass diese eine Art Kehlkopfmundstück abgrenzen, dessen Form sehr stark variieren kann und vielleicht einen ähnlichen Einfluss auf den Klang ausübt wie das Mundstück (siehe dort) der Blechblasinstrumente. Bei Erkrankungen des Kehlkopfes wird regelmäßig auch die Stimme verändert oder vernichtet. Hier ist Untersuchung und Behandlung durch den Arzt erforderlich. Auch durch falschen Stimmansatz können Stimmstörungen bedingt sein. Diese sind durch geeignete Stimmbildung zu beseitigen. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 869]