Cantus firmus, canto fermo (1865)

Cantus firmus, canto fermo, der feste Gesang; eine Benennung der Melodien des Gregorianischen Kirchen- und Choralgesangs. Gregor der Große hatte bekanntlich die von ihm gereinigten und mit neuen vermehrten Kirchengesänge gesammelt, nach dem Jahreszyklus geordnet und in einem Antiphonar notiert. Dieses am Altar der Apostel an einer Kette befestigte authentische Antiphonar stand im Altertum in hoher Verehrung, galt als alleinige Norm und Richtschnur für den gesamten Kirchengesang, und die darin enthaltenen Melodien sollten für alle Zeiten fest und unveränderlich sein und bleiben, daher die Benennung Cantus firmus für diese Gesänge. In der Folge nahmen die Kontrapunktisten solche Melodien des Gregorianischen Cantus firmus in ihre Tonsätze auf und kontrapunktierten dagegen, und als man mit der Zeit zu solchem Zwecke auch beliebig anderer, nicht dem eigentlichen Cantus firmus angehörender Melodien sich bediente, übertrug man diese gewohnte Benennung auch auf diese letzteren, wenn sie einem Kontrapunkt als gegebene Melodie zu Grunde gelegt wurden. Die Übungen im Kontrapunkt werden über einen solchen, bald in die eine, bald in eine andere Stimme versetzten Cantus firmus (bei den Franzosen Chant donné) gemacht, den man abgekürzt mit C. f. zu bezeichnen pflegt. Über die kontrapunktische Behandlung eines solchen festen Gesanges siehe die Artikel Kontrapunkt und Doppelter Kontrapunkt. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 140]