Lyra (1802)

Lyra. Das erste Saiteninstrument des grauen Altertums; wahrscheinlich auch eine der ersten Erfindungen zum Vergnügen des menschlichen Geistes, nachdem er für Unterhalt und persönliche Sicherheit gesorgt hatte. Jahrtausende hindurch diente es den Gesängen zum Lobe der Götter und zum Andenken der Helden zur Begleitung. So weit die historischen Nachrichten reichen, war es ägyptischen Ursprunges. Apollodor beschreibt die Erfindungsgeschichte desselben auf folgende Art: Hermes, an dem Ufer des Nils lustwandelnd, stieß zufälligerweise an eine Schildkröte, die nach der Überschwemmung des Stromes auf dem Trockenen zurückgeblieben und deren Fleisch von der Sonne dergestalt ausgetrocknet war, dass die Schale weiter nichts enthielt als Knorpel und die durch die Austrocknung angespannten und dadurch klangfähig gewordenen Sehnen. Der Klang, den diese Sehnen durch das Anstoßen an diese Schale von sich gaben, veranlasste den Hermes zu der Erfindung der Lyra, die er in der Form einer Schildkrötenschale verfertigte und mit drei Saiten von getrockneten Sehnen toter Tiere Tiere bezog. Man vermutet, dass Hermes diese drei Saiten dergestalt gestimmt habe, dass die erste zur zweiten einen halben, die zweite zur dritten aber einen ganzen Ton ausmachte.

Die Griechen, die dieses Instrument ohne Zweifel von den Ägyptern erhalten und es nur auf diese oder jene Art verbessert und mit mehr Saiten bezogen haben, schreiben die Erfindung desselben ihrem Merkur zu. Die unter ihnen gebräuchlichen Lyren hatten die Form zweier Widderhörner, zwischen welchen die Saiten gezogen wurden und denen ein der Schildkrötenschale ähnliches Korpus zum Klangboden diente. Nach der Meinung der mehresten [sic] Altertumsforscher war sie mit sieben Saiten bezogen, die entweder mit einem Plektrum gespielt oder, so wie unsre Harfe, mit den Fingern gerissen wurden. Noch heutzutage bedient man sich in Abyssinien [sic] und den angrenzenden Ländern dieses Instrumentes zu Begleitung des Gesanges und bezieht es ebenfalls mit sieben Saiten.

Es gab in Ägypten auch noch eine Lyre von dreieckiger Form, deren Abbildung man auf einem übrig gebliebenen alten ägyptischen Kunstwerke gefunden hat. Überdies wird in den Schriften der Alten einer Lyra hexachordis (sechssaitigen), einer Lyra Lesbia, dessen sich Arion aus der Insel Lesbus bediente, einer Lyra Pythagorae und dgl. gedacht, die ohne Zweifel alle nur in Kleinigkeiten von der gewöhnlichen Lyre verschieden waren. Die Lyre des Pythagoras soll jedoch die Gestalt eines Dreifußes gehabt haben.

Von dem Wiederaufleben dieses uralten Instrumentes oder von dem Instrumente, welches seit kurzer Zeit in Frankreich sich zum Lieblingsinstrumente des schönen Geschlechts erhoben hat, siehe den Artikel Lyre-Guitarre. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 918ff]