Musiklexikon: Was bedeutet Lasso, Orlando di?

Lassus, Orlandus de (1873)

Lassus, Orlandus de, einer der größten Tonsetzer des 16. Jahrhunderts, zu Mons in Hennegau 1520 geboren, starb 1594 oder 1595. Sein Lebenslauf ist in Kürze angegeben folgender: Als Knabe schon trat er in seiner Vaterstadt in das Chor der Nicolaskirche; als jedoch traurige Familienverhältnisse (der Vater war als Falschmünzer entdeckt) eintraten, verließ er mit Ferdinand Gonzaga das Land und ging nach Italien und zwar nach Neapel, wo er sich, eifrig studierend, 3 Jahre aufhielt. Von dort aus begab er sich nach Rom, erhielt daselbst die Kapellmeisterstelle an einer der Hauptkirchen, konnte aber der Sehnsucht, die kranken Eltern wieder zu sehen, nicht widerstehen und kehrte nach Mons zurück. Da er dieselben nicht mehr am Leben fand, ging er nach England und Frankreich und war dann 2 Jahre lang Kapellmeister in Antwerpen. Von dort aus wurde er vom Herzog Albert V. nach München berufen, wo ihn derselbe 1562 zu seinem ersten Kapellmeister ernannte. 1570 erhielt er vom Kaiser Maximilian für sich und seine Nachkommen den Reichsadel und 1571 erhob ihn Papst Gregor XIII. zum Ritter vom goldenen Sporn. Diese so mit Ehren reich ausgezeichnete Stellung behielt er bis zu seinem Tode inne. Im Jahr 1558 verheiratete er sich mit einer Ehrendame der Herzogin, aus welcher Ehe 4 Söhne und 2 Töchter hervorgingen.

Seine Kompositionen sind der Zahl nach an 1600. Er ist neben Palestrina der größte Kirchenkomponist des 16. Jahrhunderts. [Paul Handlexikon 1873b, 11]

Lasso, Orlando di (1840)

Lasso (Orlando di), mit dem Beinamen "Phönix seiner Zeit", war 1520 zu Mons geboren und veränderte seinen eigentlichen Namen Roland de Lattre in Orland de Lassus, als sein Vater der Falschmünzerei überwiesen und verdammt wurde, mit einer Reihe falscher Münzen um den Hals dreimal um das Hochgericht zu gehen. Er verließ das Land und ging mit Ferdinand Gonzaga, welcher der Partei des Königs von Sizilien anhing, nach Italien. 1541 erhielt er die Kapellmeisterstelle am Lateran, der er jedoch nur sechs Monate vorstand, weil er seine todkranken Eltern noch einmal sehen wollte, die er nicht mehr am Leben traf. 1557 berief ihn der Herzog von Baiern, Albert V., der Großmüthige, an seinen Hof mit dem Auftrage, niederländische Tonkünstler mitzubringen. In München stand er bald durch Gelehrsamkeit, Witz, Redlichkeit und Schönheit seiner Kompositionen in außerordentlichem Ansehen. Bald wetteiferte er im Rufe mit Palestrina und wurde gleichfalls "Fürst der Tonkunst" genannt. 1562 ernannte ihn der Herzog zu seinem ersten Kapellmeister; 1570 erteilte ihm Kaiser Maximilian den Reichsadel; 1574 erhob ihn Papst Gregor XIII. zum Ritter des goldnen Sporns und Karl IX. zum Maltheserritter. 1571 war er in Paris dem Könige vorgestellt und von ihm mit Geschenken und Auszeichnungen überhäuft worden.

Da die berühmten sieben Bußpsalmen Lassos (von denen es irrig hieß, sie seien als Sühnopfer der Bartholomäusnacht gesetzt worden) später auf den gequälten, reuigen König besonders gewirkt hatten, so berief dieser den Komponisten zu seinem Kapellmeister, und der Herzog überredete ihn, aus Mitleid für den Geängstigten, den Ruf anzunehmen; allein schon auf der Mitte des Weges erhielt er die Nachricht vom Tode Karls (30. Mai 1574) und eilte nach München zurück, wo er im Jahr 1594 sein tätiges Leben beschloss und drei Söhne hinterließ, deren zwei, Ferdinand und Rudolph, auch als Künstler bekannt wurden.

Es wird berechnet, dass dieser fruchtbare Tonsetzer 1572 heilige Werke und 765 profane, also zusammen mindestens 2337 geschrieben hat. Ein namhaftes Verdienst erwarb er sich durch Vereinfachung der Taktarten und Taktzeichen, deren vor ihm mehr als achtzigerlei in Gebrauch waren und die er zuerst auf zwei Hauptarten reduzierte, den geraden und ungeraden Takt, die Tempobezeichnungen nur mit den Worten Allegro, Adagio usw. andeutend.

Dieser große Mann beleuchtete und beschloss zugleich die große Periode der Niederländer, welche seit zwei Jahrhunderten der Welt wohl an dreihundert für ihre Zeit vortreffliche Tonsetzer geliefert hatte. Die Musik, durch sie einst nach Italien verpflanzt, war nunmehr dort eine einheimische Kunst geworden, und wie einst die Niederländer, sendete nun Italien seine Söhne in alle kunstliebende Länder aus und errang jenes Supremat [Vorrangstellung] in Europa, welches dasselbe bis auf unsere Zeit herab behauptet hat. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 270]