Kanzone (1882)

Kanzone (italienisch: Canzone, Canzonetta, französisch: Chanson, "Singstück"), im 15.-16. Jahrhundert vorzugsweise ein weltlicher mehrstimmiger Gesang von volksmäßiger Faktur, daher Canzoni napoletani, siciliani, francesi etc. unterschieden werden. In Deutschland heißen die entsprechenden Kompositionen dieser Zeit Lieder (frische teutsche Liedlein, Gassenhäwerlin etc.)

Zur Gattung der Kanzonen gehören auch die Villoten und Villanellen, nur dass bei diesen die Setzart noch einfacher ist (Note gegen Note mit wenig Bewegung in den Mittelstimmen). In der Zeit des konzertierenden, streng polyphonen Stils sind die Werke dieser Art die unserem heutigen Geschmack [um 1880] am nächsten stehenden, da sie scharf gegliedert sind und den Reimstellungen der meist kurzzeiligen Strophen entsprechende Periodenbildungen aufweisen.

Der Ursprung der Kanzone ist das Volkslied. Vielfach ist nachweisbar, dass der Tenor dieser Lieder bei verschiedenen Komponisten wiederkehrt. Sie sind also vierstimmig gesetzte Volksmelodien oder Melodien im Volkston. Geschickte Meister (z. B. Heinrich Isaak in "Inspruck, ich muß dich lassen", 1475) haben der im Tenor enthaltenen ursprünglichen Melodie eine schönere im Sopran gegenübergestellt, welche später für die Hauptmelodie gehalten wurde.

Die französischen Chansons sind auf die Gesänge der Trouvères (Troubadoure) zurückzuführen, die neapolitanische und sizilianische Kanzone wohl auf die Schifferlieder. Heute [um 1880] wird die [sic] französische Chanson wieder mehr einstimmig mit Klavierbegleitung gesetzt. Ihr Charakter ist aber derselbe geblieben, frische, dem Nationalcharakter entsprechende Rhythmik unterscheidet sie vorteilhaft von der Romance, dem süßlichen Lied in der Weise Abts und Kückens. Das neuere Kunstlied führt in Frankreich den deutschen Namen lied, lieder. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 438]