Finale (1865)
Finale, Schlusssatz.
1) In zyklischen (siehe dort) Instrumentalwerken, als der Sonate, Symphonie, Partite, dem Konzert u. a. m. Es kommt auf den Inhalt des Tonwerkes an, welchen Charakter dieser letzte Satz haben soll. In der älteren Haydnschen Sonate und Symphonie ist er meist ein leicht bewegtes Tonstück von lebhafter und heiterer Art, welches alle tieferen und ernsteren Gemütsbewegungen der vorangehenden Sätze beruhigt und eine befriedigende Lösung herbeiführt. Die Ausarbeitung entspricht denn auch gemeinhin solchem Inhalte, ist leicht hinfließend und weniger kunstvoll. Doch kommen auch bereits bei Haydn wie auch bei Mozart Schlusssätze vor, aus deren Haltung die Einsicht, dass nicht ein jeder Gedankengang auf eine nur angenehme oder heiter spielende Art zu lösen ist, deutlich hervorleuchtet. Bei Beethoven sind die kurz abfertigenden Schlusssätze ganz verschwunden, das Finale ist immer bedeutend und vollkommen ausgestaltet, entweder durch Lebhaftigkeit, Scherz und heitere Anmut die in den vorangegangenen Sätzen ausgedrückte ähnliche Stimmung noch steigernd und abschließend, auch etwaige Konflikte ausgleichend; oder den gewaltigen Gipfelpunkt eines großen und ernsten Ideenganges und einer dementsprechenden Tonbewegung bildend, wie beispielsweise in der C-Moll-Symphonie.
Die gewöhnliche Finalform der Sonate etc. ist das (moderne) Rondo (siehe Sonate), welches in seiner Durchbildung wesentlich des einen ganz besonders darin vorherrschenden Hauptgedankens das ganze Werk zu einem um so einheitlicheren Abschlüsse bringt. Zuweilen, wenn eine sehr würdevolle und nachdrückliche Breite des letzten Satzes erforderlich, wird auch die Sonatenform mit erstem und zweitem Thema, Wiederholung des ersten Teiles und auch angehängtem Schlüsse aus einem eigenen Motive angewendet. In Konzerten ist das Finale gewöhnlich feurig und brillant, mit reichem und glänzendem Passagenwerk ausgestattet, um auch die technischen Eigenschaften des Instrumentes abschließend in ein helles Licht zu stellen.
2) Im musikalischen Drama, eine Folge zusammenhängender Szenen von verschiedener Ton- und Taktbewegung am Schluss der Akte. Die Empfindung und Handlung im dramatischen Finale soll nicht stehen bleiben, sondern fortrücken, damit die Spannung und das Interesse daran ununterbrochen erhalten und gesteigert werde. Große Arien, welche den Gang der Handlung durch einen umständlichen Empfindungsausdruck des Einzelnen aufhalten, sollen daher im Finale nicht vorkommen. Es enthält immer bedeutende Momente, entweder Verwickelungen oder Entwickelungen der Handlung, daher dem Dichter und Tonsetzer Gelegenheit gegeben ist, die mannigfaltigsten Empfindungen der verschiedenen Personen in aufeinanderfolgenden Solo- und Ensemblesätzen darzustellen und Konflikte herbei oder zur Lösung zu führen. Ist ihm hiermit eine höchst schwierige Aufgabe gestellt, welche sowohl umfassende Kenntnis der dramatischen Gesetze als auch völlig freie Beherrschung der tonlichen Ausdrucksmittel fordert, so ist die Lösung derselben doch ebenso interessant als dankbar. Siehe Oper.
3) La finale nennen die Franzosen die Tonika eines Tonstückes, weil auf derselben der letzte Schluss gemacht wird, vorausgesetzt dass es ein Ganzschluss ist, beim Halbschlusse, womit ein Tonsatz ebenfalls endigen kann, kadenziert der Bass bekanntlich nicht auf der Tonika, sondern auf der Dominante. Siehe Ganzschluss, Halbschluss. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 305]