Anthem (1882)
Anthem, eine England eigentümliche Kunstform, die etwa mit unsrer kirchlichen Kantate zusammenfällt, nach Seite der Motette von ihr abweichend. Das Wort Anthem wird abgeleitet von Antihymne oder Antiphona, bezeichnet also ursprünglich einen Wechselgesang; doch ist in dem Anthem auch der älteren Zeit (Tye, Tallis, Byrd, Gibbons) von dieser Bedeutung nichts mehr zu finden.
Das Anthem wurde 1559 in die englische Kirche als wesentlicher Bestandteil des Gottesdienstes eingeführt. Zu hoher Bedeutung gelangte es durch die dahin gehörigen Kompositionen Purcells und Händels. Man unterscheidet "full anthems" und "verse anthems". In ersteren überwiegt der Chor, in letzteren die Soli, Duette etc. (verse, so viel wie Solosatz). Bei beiden Arten wirkt das Orchester mit. Die Texte sind biblisch (Psalmen, Sprüche etc.). In neuerer Zeit hat man auch vielfach Anthems aus Messenteilen und Oratorienbruchstücken nichtenglischer Komponisten zurechtgemacht zum großen Verdruss der Verehrer des reinen Genre des Anthems. Von neueren englischen Komponisten auf dem Gebiet des Anthems sind hervorzuheben: S. Wesley, J. Goß und Fr. Oufeley. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 33]