Ripieno (1865)

Ripieno, voll, ausgefüllt (repletus). "Bedeutet einen vollen Chor; wenn alle Chori vnd Stimmen, sampt allen Instrumenten, in gewissen Clausulen zusammen fallen. Also werden auch gebraucht diese Synonyma: Tutti, Plenus Chorus". Gengenbach, Mus. nova 1626.

1) Solche Hauptstimmen, die bei der Ausführung vielfach (chormäßig) besetzt, also von mehreren Personen zugleich unisono vorgetragen werden, wie z. B. die vier Stimmen eines vierstimmigen Chores oder bei voller Orchestermusik Streichquartett und Kontrabass. Daher unterscheidet man durch Ripieno oder Ripienstimmen die vielfach besetzten Stimmen eines Chores oder Orchesters von solchen Hauptstimmen eines Tonstückes, die nur von einer Person vorgetragen und Solo-, konzertierende oder obligate Stimmen genannt werden.

2) Solche Stimmen, die nur zur Ausfüllung und Klangverstärkung eines Tonstückes dienen; insbesondere die Vervielfältigungen der Hauptstimmen, die nur beim vollen Chore gebraucht werden, wie z. B. in einem Konzert oder einer Arie der Ausdruck Basso ripieno diejenige Vervielfältigung der Grundstimme bedeutet, welche etwa in der Arie nur die Ritornelle verstärken, bei Begleitung der Solostimmen aber schweigen soll, damit das Akkompagnement die Hauptmelodie nicht unterdrücke.

So wendet man bei Musikaufführungen in sehr großen Räumen auch ganze Singchöre und Orchester als Ripienchöre und Ripienorchester an, welche den Zweck haben, an geeigneten Stellen durch Verstärkung des einfachen Chores und Orchesters eine gewaltigere Massenwirkung hervorzubringen. Auch den Holzblasinstrumenten gibt man bisweilen Ripienstimmen bei, wenn der Raum es erfordert und sie sonst zu schwach klingen würden - doch nur zum Nachteile des guten Vortrages, weil die feineren Nuancierungen desselben dadurch verloren gehen. Bei Aufführung von Symphonien, überhaupt reinen Instrumentalwerken soll man es daher besser unterlassen. In der Kirchenmusik mit großem Chor mag es noch eher gehen, weil diese ohnehin so große Vortragsfeinheiten nicht fordert, außerdem die mehrfache Besetzung der Holzblasinstrumente doch nur bei Begleitung des Chores und im Tutti angewendet wird, beim Sologesänge selbstverständlich unterbleibt. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 733]