Musiklexikon: Was bedeutet Nationalmusik?

Nationalmusik (1882)

Nationalmusik heißt die dem einzelnen Volke eigene Musik, welche direkt von den Eigentümlichkeiten desselben, seinem Geschmack, seinem Temperament und seinen Sitten so beeinflusst wird, dass sie eine abweichende Richtung oder doch einen eigentümlichen Charakter gewinnt.

Es ist klar, dass dies hauptsächlich bei der Volksmusik der Fall sein muss, weil die Kunstmusik sich nach bestimmten, ewigen Gesetzen entwickelt, die an keine nationale Eigentümlichkeit gebunden sind, auf keine derartige Besonderheit Rücksicht nehmen, wenn auch die Anwendung dieser Gesetze durch das Eindringen der Volksmusik vielfach beeinflusst wird. Vorwiegend ist diese nationale Eigentümlichkeit in den aus dem Volke hervorgehenden Volksliedern und Volkstänzen erkennbar. Insofern diese aber Einfluss auf die Kunstentwickelung gewinnen, wird auch dieser ein nationales Gepräge aufgenötigt. Diesem Einfluss ist es zuzuschreiben, dass trotz des gemeinsamen Ursprungs und der Jahrhunderte lang gemeinsamen Musikübung beispielsweise sich dennoch die französische Oper von der italienischen chied und dass die deutsche Musik alle Formen derselben in gleichmäßig höchster Vollkommenheit entwickelte (über Nationalmelodien siehe den Artikel "Volkslied"; über Nationaltänze und Nationalinstrumente den Artikel "Tanz"). [Reissmann Handlexikon 1882, 306]

Nationalmusik (1807)

Nationalmusik. Darunter versteht man diejenigen Eigentümlichkeiten der Musik einer jeden Nation, wodurch sie sich von der Musik anderer Völker unterscheidet und in welchen gewisse charakteristische Nationalzüge sich aussprechen.

In den größeren Tonstücken derjenigen Völker Europas, bei welchen die Musik vorzüglich im Schwunge ist, sind die Nationalzüge derselben heutzutage größtenteils dadurch verwischt worden, dass diese Völker die Musik der Italiener angenommen, oder doch wenigstens mit der ihrigen vereinigt haben. Daher kommt es, dass man nur noch in den älteren Volksliedern der verschiedenen Völkerschaften eine merkliche Verschiedenheit des ursprünglichen Charakters ihrer Musik gewahr wird; so ist z. B. ein altes schottisches Lied jederzeit von einem französischen und beide sind von einem italienischen, so wie jedes von dem von dem gemeinen Volke gesungen wird, merklich verschieden. [Koch Handwörterbuch Musik 1807, 241]