Kolorieren (1929)
Kolorieren (von Color, siehe dort), verzieren, die - meist improvisierte - Ausschmückung einer Kernmelodie mit Figurationsmotiven, besonders gebräuchlich zur Bezeichnung der "stilgerechten" Zutaten der Organisten des 15. und 16. Jahrhunderts bei der Bearbeitung von Vokalsätzen für Orgel. Vgl. G. A. Ritter, Zur Geschichte des Orgelspiels I, S. 111ff: Die Koloristen 1570-1620 (Nik. Amerbach, Bernh. Schmid sen. und jun., Jakob Paix und Joh. Woltz), wo die etwas mechanische Herstellung dieser Arrangements gebührend verurteilt ist.
Doch sind die Deutschen nicht allein deswegen zu tadeln; selbst die Bearbeitungen französischer Chansons durch Andr. Gabrieli sind doch gleichfalls überladen mit überflüssigem Passagenballast, der einen flotten Vortrag, wie ihn die Originale beanspruchen, zur Unmöglichkeit macht. Ja sogar schon die Klavier- und Orgeltabulaturen von Gesangsstücken, die Attaingnant 1530 herausgab, sind manchmal stark verschnörkelt und ohne Verschleppung des Tempos kaum spielbar. Viele dieser Intavolierungen sind in sehr mechanischem, handwerksmäßigem Geist arrangiert. Weitaus die künstlerischsten sind die der spanischen Meister (Cabezon). Erst das 17. Jahrhundert, das die Melodik doch schärfer profiliert als das 15. und 16., hat dieser Art von Kolorieren ein Ende bereitet. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 926]