Füllstimmen (1865)
Füllstimmen. Stimmen, welche in Tonstücken, worin nicht sämtliche Stimmen Hauptstimmen sind, den Hauptstimmen beigegeben werden, um die Harmonie zu füllen und den Klang abzurunden. So kann ein zum Beispiel vierstimmiger Satz 2 Hauptstimmen enthalten, welche etwa einen Kanon führen; dazu ist ein Bass, außerdem noch eine vierte Stimme gesetzt, welche ihren ganz eigenen Gang nimmt und, ohne an den Kanon weiter sich zu beteiligen oder sonst irgendwie als selbstständige Melodie hervorzutreten, nur den Zweck hat, die Harmonie vollständig auszudrücken. Diese vierte Stimme ist eine Füllstimme. Ähnlich in freien Orchestersätzen die den Hauptmelodien beigegebenen untergeordneten Harmonie- und Klangausfüllungen; desgleichen in älteren, meist nur für eine Singstimme, ein obligates Instrument und Bass gesetzten Arien, die Harmonieausfüllungen durch die begleitende Orgel oder das Klavier.
Von dieser Art Füllstimmen, welche, wenn auch als Melodien unselbstständig, doch ihre eigenen, von den Hauptstimmen verschiedenen Intervallfortschreitungen haben, hat man die Verdopplungsstimmen, welche man auch zuweilen schlechthin Füllstimmen nennt, zu unterscheiden. Verdopplungsstimmen haben nicht ihre eigenen Intervalle, sondern nur den Zweck, größere Schallmasse und Klangmischungen zu erzeugen, wie z. B. die Verstärkungen der Chorgesangsstimmen durch Orchesterinstrumente im Einklang oder in Oktaven; die Hinzufügung von Hörnern, Trompeten, Posaunen und dergleichen oder der Orgel an gewissen Stellen, nur zur Entwicklung einer großartigen Klangmasse, nicht zur Komplettierung der in den Hauptstimmen schon vollständig ausgedrückten Harmonie. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 345f]