Thematische Arbeit (1929)
Thematische Arbeit nennt man die Ausführung längerer Musikstücke unter Durchführung einer beschränkten Zahl charakteristischer Motive, besonders aber den Aufbau der in der neueren Musik, zwischen die eigentlichen Themen eingeschalteten "nichtthematischen" Übergangs- und Durchführungsteile aus Motiven der Hauptthemen.
Die thematische Arbeit wurzelt in der Fugenarbeit, erlangte aber ihre besondere Bedeutung erst nach der Abkehr vom fugierten Stile als eine Art fugenmäßiger Gestaltung innerhalb des modernen durch die Mannheimer Schule und die Wiener Klassiker geschaffenen Stils. Lange hat man Haydn als den Schöpfer der thematischen Arbeit hingestellt. Jetzt [um 1930] wissen wir, dass er in Johann Stamitz mindestens einen sehr bedeutenden Vorgänger auch auf diesem Gebiete hatte. Doch ist freilich die freiere thematische Arbeit auch der älteren Kunst durchaus nicht fremd; z. B. beruht die imponierende, für alle Zeit mustergültige Faktur Bachs auch in den nichtfugierten Werken in der unerschöpflichen Fülle immer neuer Wendungen unter Festhaltung derselben Motive, also in der thematische Arbeit. Das Neue der thematische Arbeit seit Feststellung der Sonatenform ist also schließlich die durch den Dualismus der Thematik gegebene eigenartige Verflechtung gegensätzlicher Elemente. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1833]