Russische Jagdhornmusik (1865)

Russische Jagdhornmusik. Die bekannte, in Russland heimische, durch lauter Jagdhörner, deren jedes nur einen einzigen Ton hat, zuwege gebrachte Hornmusik.

Die Hörner sind von Messing, an Gestalt wie ein Sprachrohr geradeaus gestreckt oder doch nur wenig gebogen. Die für die tiefsten Töne haben eine Länge von ungefähr 7 Fuß, welches Maß nach der Höhe hin verhältnismäßig bis auf etwa 1 Fuß für die kleinsten Instrumente abnimmt. Der ganze Chor besteht aus etwa 40 Personen, doch zählte er bei der Petersburger Jagdmusik um 1788 deren 80. Die Leute sind (mittels der Knute) so dressiert, dass jeder genau seinen Ton angibt, wenn ihn die Reihe trifft (was allerdings auf eine lebhafte Anwendung des erwähnten Instruktionsinstrumentes schließen lässt). "Ohngeachtet jeder Spielende" (sagt Chladni in seinen Beiträgen zum Gerberschen Tonkünstlerlexikon) "nichts weiter zu thun hat, als den einzigen Ton zu dem sein Horn gebraucht wird, zu rechter Zeit anzugeben, werden doch die vollstimmigsten Symphonien, Fugen etc. mit einer solchen Genauigkeit und einem so gleichförmigen Anwachsen und Verschwinden der Töne ausgeführt, dass man glauben sollte nur ein Instrument zu hören: schnelle Laufer, Harpeggiaturen, Triller mit Vorschlag und Nachschlag etc. werden mit aller Präcision herausgebracht. Wenn diese Musik gehörige Wirkung thun soll, so muss man sie in freier Luft, oder in einer Entfernung von etlichen Zimmern, deren Thüren nicht geöffnet sind, hören, da dann die Intonation sehr angenehm ist, und viel Aehnliches mit dem Klange einer mit einem Schweller versehenen Orgel hat."

Von den kleinen Hörnern hat der Musikant zwei, von den großen hat er Not genug, um eines zu regieren. Die Noten für einen jeden Spieler bestehen aus nichts als Pausen, zwischen die immer das einzige Notenzeichen, z. B. c oder e oder sonst irgend ein anderes mit seinem bestimmten Zeitwert, gemalt ist. Die, welche zwei Hörner führen (deren Töne aber nicht unmittelbar aufeinanderfolgen dürfen, weil sonst der Fluss notwendig gestört wird), haben auch zwei Noten auf dem Papier, und diese abgerechnet, werden zu einem Stücke so viele Stimmen gebraucht als Töne darin vorkommen. Dazu sind noch einzelne Töne zuweilen mit mehreren Bläsern besetzt, um ein größeres Crescendo und f [Forte] herauszubringen, und auch wohl schnell mit f und p abwechseln zu können.

Seit alten Zeiten führen die Jäger und Hundepiqueteurs solche Hörner, deren äußerst unharmonische Zusammenstimmung in dem Oberjägermeister Narischkin um 1751 den Wunsch einer Verbesserung der kaiserlichen Jagdmusik erregte. Er gab seinem Personal anfänglich nur in den Verhältnissen des Dreiklangs sowie der Quarte und Sexte gestimmte Hörner, die er nach und nach in bestimmten Tempos abwechseln ließ, bis er mit der Zeit die soeben beschriebene Musik zu Stande brachte, wobei ihn der Hofmusikus Maresch hinsichtlich der Noteneinrichtung etc. unterstützte. Im Jahre 1753 war der aus 37 Hörnern bestehende Chor schon so gut abgerichtet, dass er auf dem Felde vor dem Jagdschlosse Ismailov in Gegenwart des kaiserlichen Hofes und der auswärtigen Gesandten mit vielem Beifall seine Künste produzieren konnte. Vergl. auch Speiersche Realzeitung 1788, d. 17. September. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 738]