Romanze (1882)
Romanze, ursprünglich eine Form der episch-lyrischen Dichtung. Sie steht der eigentlichen Lyrik am nächsten, insofern als bei ihr das Hauptinteresse weniger auf dem Ereignis, das ihr zu Grunde liegt, beruht, als vielmehr auf dessen ethischer Grundlage. Die Erzählung jenes Ereignisses ist mehr Nebensache. Diese wird nur gewählt, um irgendeinen Zug seelischen Lebens darin zu verkörpern. Ihr ist die Darlegung der lyrischen Stimmung, welche das betreffende Ereignis hervorruft, Hauptzweck, und sie berücksichtigt den Vorgang nur soweit, als er diesen Hauptzweck unterstützt.
Die Romanze ist daher auch mehr auf lyrische Weisen und die Geschlossenheit der äußeren Gestaltung des Liedes angewiesen. Die musikalische Behandlung der Romanze unterscheidet sich daher wenig von der des Liedes, weder im Volksgesang, noch im Kunstgesang. Sie steht mitten inne zwischen dem Lied und der Ballade. Ganz so eng geschlossen in der Form wie jenes, gewinnt sie doch mehr den ruhigeren, gewichtigeren und meist düstern Ton der Ballade, wie eben die Erzählung fordert, ohne dass er bis zu jener dramatischen Gewalt der Ballade gesteigert wird. Wie das Lied, so wurde dann auch die Romanze zur selbständig instrumentalen Form herausgebildet. [Reissmann Handlexikon 1882, 446f]