Stadtmusikus (1882)
Stadtmusikus, Stadtmusikanten, Stadtpfeifer, Stadtzinkenisten , Kunstpfeifer, Thürmer [sic], nannte man die Musiker, welche im 15. Jahrhundert zunächst von den bedeutendsten Städten fest angestellt wurden, um beim Gottesdienst, bei festlichen Gelegenheiten und öffentlichen Tänzen die Musik auszufahren. Bisher hatte man sich dazu der herumwandernden Spielleute bedienen müssen.
Augsburg erhielt 1434 das Privilegium, öffentliche Zinkenbläser halten zu dürfen, und bald hatte jede der bedeutenderen Städte des deutschen Reichs neben einer Kantorei auch eine Stadtpfeiferei, mit dem "Stadtmusikus", auch Stadtpfeifer, Stadtzinkenist und, weil er in der Regel auf dem Turme wohnte, "Thürmer" [sic] genannt, an der Spitze. Auch der Name "Hausmann" wurde ihm beigelegt, und darnach hießen seine "Gesellen und Lehrlinge" auch "Hausleute".
Die Stadtmusikanten wurden wie die Handwerker zunftgemäß organisiert, bildeten eine Innung, deren Mitglieder die Musik "zünftig erlernt" haben mussten. Sie mussten sich als Lehrlinge aufdingen und nach überstandener Lehrzeit ordnungsmäßig lossprechen lassen, und dann dienten sie als Stadtpfeifergesellen in den Stadtpfeifereien, gingen auf die Wanderschaft, bis sie etwa selbst als Stadtpfeifer wieder Lehrherren wurden. Der Stadtpfeifer hatte die Verpflichtung, soviel Lehrlinge und Gesellen zu halten, als nötig waren, um beim Gottesdienst, bei öffentlichen Festen u. dgl. "aufzuwarten", d. h. eine ordentliche Musik auszuführen. Dafür genoss er das Privilegium, dass nur er mit seinen Leuten bei Privatgelegenheiten gegen die entsprechende Entschädigung zur Dienstleistung hinzugezogen werden durfte.
Das Institut hat sich bis ins neunzehnte Jahrhundert erhalten und wurde auch durch die Gewerbefreiheit noch nicht ganz beseitigt. Eine Reihe von Städten halten jetzt noch [um 1880] Stadtmusikdirektoren, die indes nicht mehr die alten Privilegien haben. [Reissmann Handlexikon 1882, 513]