Periode (1882)

Periode bezeichnet in der Dichtkunst einen größeren rhythmischen Abschnitt; in der Prosa mehrere, nach Form und Inhalt verbundene Sätze. Dementsprechend heißt auch in der Musik ein aus mehreren kleineren Gliedern zusammengesetzter Abschnitt Periode.

Beim Walzer werden beispielsweise zwei Takte zu einem rhythmischen Motiv zusammengenommen, dessen Wiederholung einen Abschnitt von vier Takten ergibt. Betrachtet man diesen als einen Vordersatz, so muss er notwendig einen gleich konstruierten Nachsatz erhalten und beide, Vordersatz und Nachsatz ergeben eine Periode. Selbstverständlich lässt sich dieser Prozess noch weiter fortführen, so dass man größere und auch noch weit mannigfaltiger zusammengesetzte Perioden gewinnt. Bei Tanz und Marsch ist der Periodenbau streng an die progressiv erfolgende Zusammensetzung gebunden. Bei den mehr frei erfundenen Tonstücken, die nicht an solch äußere Vorgänge gebunden sind, tritt auch eine größere Freiheit des Periodenbaues ein.

Das Ohr vermag nicht so genau zu messen, wie das Auge, und man darf deshalb nicht die Gesetze der räumlichen Symmetrie auf die der Zeit übertragen. Daher ist es auch wenig angemessen, bei den erweiterten Instrumentalformen die Perioden nach Takten abzumessen wie beim Marsch oder Tanz. Auch beim Lied schon erfordert oft der ideale Inhalt eine mannigfaltigere Ausdehnung einzelner Glieder der Periode und dies ist selbstverständlich bei den Instrumentalformen noch weit mehr der Fall. Mit künstlerischer Besonnenheit angewendet führt das Verfahren zu einer Mannigfaltigkeit der rhythmischen Gestaltung, welche außerordentlich wirksame Mittel des Ausdrucks gewährt und zugleich vor Monotonie bewahrt. Selbstverständlich dürfen aber alle Abweichungen von der natürlichen Konstruktion nicht willkürlich auftreten und nicht die Symmetrie des Ganzen stören, sondern sie müssen durch den Inhalt bedingt werden und dürfen nur als Ausnahme von der Regel erscheinen, durch welche diese nicht aufgehoben wird. [Reissmann Handlexikon 1882, 373f]