Mysterien (1929)
Mysterien (griechisch), szenische Darstellungen biblischer Vorgänge. Die Mysterien reichen weit zurück ins Mittelalter, die Passionsspiele bis ins 8. Jahrhundert, die Marienschauspiele bis ins 12. Jahrhundert. Sie wurden anfänglich wohl in den Kirchen, später aber von Klosterbrüdern in Buden auf den Marktplätzen veranstaltet. Bei diesen Aufführungen kam schon früh Musik zur Anwendung, und zwar wohl zumeist Gesang, der dem Choralschatze der Kirche entnommen war. Aber auch Instrumentalmusik wurde eingeschoben, wo die Handlung sie veranlasste (Posaunen, Orgel usw.). Eine besondere Art der Mysterien waren die im 13. Jahrhundert aufkommenden Moralitäten, in denen abstrakte Begriffe personifiziert wurden. Das Mysterium ist eine der Formen, aus denen sich um 1600 das Oratorium entwickelte (siehe dort). Vgl. das im 14. Jahrhundert entstandene Mysterium der heiligen Agnes (Peters-Jahrbuch 1905, H. Riemann).
Es sei noch darauf hingewiesen, dass schon die Griechen beim Götterkult dramatische Aufführungen mit Musik veranstalteten, welche sie Mysterien nannten, und dass von diesen Mysterien der Name auf die christlichen Kirchenschauspiele überging, dass die Griechen selbst sie aber von den ältesten Kulturvölkern (Ägyptern, Babyloniern) überkommen hatten. Vgl. Ch. Magnin, Les origines du théâtre moderne (Paris 1838); L'abbé Jouve, Du théâtre durant le moyen-âge (Paris 1861); Coussemaker, Drames liturgiques du moyen-âge (Texte und Musik) (Paris 1861); Petit de Julleville, Histoire du théâtre en France; les mystères (Paris 1880). [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1241f]