Melos (1929)

Melos (griechisch μέλος) ist bei den Griechen das, was wir heute Melodie (siehe dort) zu nennen gewohnt sind, d. h. die Tonbewegung (aufwärts, abwärts) als solche im Gegensatz zum Rhythmus. Ist der Rhythmus etwas allen energischen Künsten Gemeinsames, so ist dagegen das Melos geradezu das unterscheidende spezifische Element der Musik, das Medium, ohne das ein musikalisches Bilden überhaupt nicht denkbar ist. Die Lehre von der künstlerischen Behandlung des Melos, die Melopöie (μελοποιἰα), unterscheidet dann weiter eine Anzahl typischer Bahnen der Tonbewegung, d. h. Tonreihen (Skalen, Tonleitern, Tonarten) und führt konkrete Melodien auf schematische Grundlagen zurück. Solche Typen sind bei den Griechen das dorische, phrygische, lydische, mixolydische Melos, deren jedes zahllose verschiedene konkrete Melodiegestaltungen offen lässt. Die konkrete Melodie ist aber nicht mehr nur Melos, sondern zugleich auch Rhythmus (mit oder ohne Verbindung mit dem Worte, der λέξις). Vgl. R. Lach, Studien zur Entwicklungsgeschichte der ornamentalen Melopöie (1913). [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 1151]