Lyra (Lyre-Guitarre) (1801)

Einige Worte über die neue französische Lyra (Lyre-Guitarre). Paris hat kaum jemals mit größerm Eifer nach dem Neuesten gejagt und es zur selbstgegebenen Richtschnur festgesetzt, als es jetzt nach dem Aeltesten (aus den Zeiten griechischer und römischer Kunst, versteht sich) eilet, es kennen lernt und es nachzuahmen oder möglichst ganz sich anzueignen bemühet ist. […]

Lyre-Guitarre (Lyragitarre) (AMZ 1801)

Zeichnung der "Lyre-Gitarre" bzw. der "neuen französichen Lyra" und schematische Darstellung der Noten auf dem Griffbrett (entspricht der modernen Gitarre in Standard-Stimmung). Abb. aus [AMZ 1801, 789].

Die neue Lyre ist eine Nachahmung der alten, welcher einige Verbesserungen von der Guitarre beigefügt sind, um ihr mehr Umfang zu geben und sie zum Gebrauch für unsre Musik passender zu machen - daher ihr Name Lyre-Guitarre. Bekanntlich hatte die alte Lyra fünfzehn Saiten, aber kein Griffbrett; die neue dagegen hat nur sechs Saiten und ein Griffbrett. Die beigefügte Abbildung zeigt, dass es also mehr in der Figur veränderte Guitarre als alte Lyra ist, auch sieht man sogleich, dass das Instrument im Wesentlichen ganz wie die Guitarre behandelt wird, und dass ihr Spiel keiner besondern Anweisung für den Bedarf, der nur einigermaßen mit der Guitarre umzugehen weiß. Betrachtet man diesen Neuling aber genauer, so zeigen sich denn doch mancherlei Schwierigkeiten für den, der wirklich darauf und nicht nur damit spielen will. Ich gebe nur einige an.

Soll das Instrument so wohl aussehen, als es freilich soll, und der Spielenden auch so wohl lassen, als es ebenfalls soll: so muss es immer gerade aufgerichtet gehalten werden. Das macht eine für den Arm auf die Dauer ziemlich beschwerliche und bald ermüdende Lage notwendig. Will man der Bequemlichkeit das Graziöse aufopfern, so wird man, wie schon der Anblick zeigt, von der einen Seite beim Greifen geniert. Auch die bisher gewöhnliche Bezeichnung der Noten hat ihr Beschwerliches; sie tut dem Auge nicht wohl und ist nicht gut schnell zu lesen. Man wird sich davon besser überzeugen, wenn ich die Skala des Instruments hersetze:

Ambitus der Lyre-Guitarre

Sein Umfang ist also von E bis a''', vierthalb [sic] Oktaven. Nun schreibt man die Noten auf eine Zeile […]. Dem wäre jedoch abzuhelfen, wenn man einführen wollte (was auch französische Lehrer vorgeschlagen haben), der Notenbezeichnung [Notenschrift/Notation] zwei Zeilen zu geben, wie dem Klavier oder der Harfe. Doch sollen diese Bedenklichkeiten die Liebhaberinnen in Deutschland, die uns, wie die Französinnen ihren Freunden, den anmutigen Anblick griechischer sogenannter Citherspielerinnen geben wollen, keineswegs von der Nachahmung abschrecken - und sie werden es auch nicht, wenn man sich das Hübsche der Sache nur erst lebhaft vorstellt. Um solchen Liebhaberinnen das Selbstlernen möglich zu machen, oder doch das Erlernen von Andern zu erleichtern, teile ich die Tafel über den Gebrauch der Saiten und über die Griffe von dem besten Lehrer, der jetzt in Paris ist, mit. Sie erklärt sich selbst, oder ist doch sehr leicht erklärt. [Allgemeine Musikalische Zeitung, 3. Jg., Leipzig 1801, 786ff]