Dreistimmiger Satz (1929)
Dreistimmiger Satz. Wenn man sagt, dass die Bassstimme dem Bedürfnis nach einem soliden Fundament unterhalb der drei die Dreiklangsharmonien darstellenden Stimmen ihre Entstehung verdankt, so liegt darin zugleich mit ausgesprochen, das der dreistimmige Satz, welcher eben nur die drei zur Ausprägung der Harmonie notwendigen Stimmen hat, einer eigentlichen Bassstimme entbehrt. Im dreistimmigen Satz wird daher die tiefste Stimme in der Regel weniger kadenzierende Quinten- und Quartenschritte aufweisen als im vier- und mehtstimmigen Satz. Wenn der dreistimmige Satz Note gegen Note leicht etwas steif und mager ausfällt, so verschwinden dagegen diese Mängel, sobald er figuriert wird. Die Mehrstimmigkeit durch Brechung (siehe dort) füllt dann die Harmonie und gestattet der untersten Stimme völlige Freiheit der Fundamentierung; unter diesen Bedingungen vermag selbst der zweistimmige Satz allen Anforderungen nach klarer Ausprägung der Harmonie gerecht zu werden.
Welchen Reichtums der dreistimmige Satz fähig ist, lehren die dreistimmigen A-cappella-Madrigale der Blütezeit, die Triosonaten der guten Meister der Generalbassepoche (Ant. Veracini, H. Purcell, Caldara, Corelli, Abaco, von späteren besonders J. Fr. Fasch, F. X. Richter und Joh. Stamitz), die oft des füllenden Akkompagnements des Cembalisten kaum bedürfen, endlich die Streichtrios etwa von Haydn, Mozart (Es-Dur), Beethoven (op. 9).
Der dreistimmige Satz kam im 12. Jahrhundert auf; die als dritte Stimme hinzugefügte hieß Triplum (Oberstimme) oder Motetus (Mittelstimme; vgl. Carmen). Noch bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts war der dreistimmige Satz der bevorzugte, und erst seit Dufay kam der vierstimmige Satz allmählich mehr und mehr in Aufnahme. Vgl. Contratenor. [Einstein/Riemann Musiklexikon 1929, 426]