Spielleute (1882)
Spielleute waren im Mittelalter die herumziehenden (daher "vahrende lüte") Künstler, die neben dem Instrumenten- auch das Schauspiel und meist auch das Gaukel- und Taschenspiel pflegten. Durch das ganze Mittelalter waren sie die Bewahrer unserer alten volkstümlichen Poesie, die ersten Vertreter aller darstellenden Künste, die alleinigen Pfleger der weltlichen Musik, insbesondere die Träger und Pfleger der weltlichen Instrumentalmusik.
Die Spielleute, welche auch giger und fidelaere genannt wurden, spielten auf zum Tanz, zum Gesange der Edlen und Dichter, zu Prunkaufzügen des Hofes und der Ritterschaft, zu den Märschen der Krieger im Felde.
Der schlichte Tanz des Volkes wurde gewöhnlich vom Gesang der Umstehenden begleitet, später aber und besonders zu den höfischen Tänzen trat Instrumentalmusik hinzu und regelte zuletzt allein die Tanzschritte. Erschienen sie in größerer Anzahl zu Festen an den Höfen, so hatten sie auch mehrere Gattungen von Instrumenten, wie: Harfe, Fiedel, die Rote, Psalterium, Zither, Frestele (Pfeife), Armonie (Art Glockenspiel) und Chifonie (Drehleier, früher Organistrum, später in Frankreich Vièlle genannt). Auch zur Militärmusik wurden seit Alters "Spielleute" (so heißen bis heute [um 1880] noch in der Militärsprache des deutschen Heerwesens die Militärmusiker) verwendet.
Das unstete Leben, das sie führten, ließ ihre Sitten so verwildern, dass sich die Gesellschaft genötigt sah, sie förmlich auszustoßen. Jahrhunderte lang waren sie rechtlos und führten ein elendes Leben. Erst im 14. Jahrhundert begannen sie sich zünftig abzuschließen und feste Wohnsitze anzunehmen. Aber auch jetzt noch wurde ihre gesellschaftliche Stellung zum Teil durch Ausnahmegesetze geregelt. Sie erhielten ihre eigne Gerichtsbarkeit, ein sogenannter Pfeiferkönig (Rex ministelorum oder Roy des ménéstriers) stand an ihrer Spitze, und an besonderen Pfeifertagen wurden ihre Rechtsstreitigkeiten verhandelt. In Deutschland ist namentlich das Ober-Spielgrafenamt in Wien zu nennen, unter dessen Gerichtsbarkeit die Pfeifer und Spielleute Österreichs standen. Erst im Jahre 1782 (am 30. Oktober) wurde es aufgehoben, nachdem, wie Überall, auch in Österreich die Spielleute in die bürgerliche Ordnung sich eingefügt hatten. [Reissmann Handlexikon 1882, 509f]