Sänger (1865)
Sänger, im engeren, grundleglichen Sinne eine Person, welche mittels der Singstimme ein für dieselbe gesetztes Tonstück ausführt. Siehe Gesang, Vokalmusik. Bei den Alten in weiterer Bedeutung nicht sowohl der Vokalist, als auch der Dichter, Komponist und Spieler auf Saiten- und Blasinstrumenten (fidibus canere, tibiis canere, auf Saiten und Flöten spielen). Dichter, Sänger und Harfenspieler waren sehr häufig in einer Person vereinigt, und diese Tätigkeiten trennten sich erst, als man anfing, sie künstlerisch zu vervollkommnen, was dann bald notwendig die Einsicht, dass jede einzelne für sich die volle Fähigkeit und Tatkraft eines Menschen beansprucht, nach sich ziehen musste. Doch hat davon noch der häufige Gebrauch des Wortes Sänger für Dichter das ganze Mittelalter hindurch (wie denn die Minne- und Meistersinger, auch wenn sie sangen, doch wesentlich mehr Dichter als Sänger waren) bis auf den heutigen Tag sich erhalten.
In der älteren Musik, von Entstehung des Kontrapunktes an bis auf die Periode Bachs hin, unterschied man Sänger und Setzer, unter jenem verstand man den Komponisten oder Erfinder einer Melodie, unter diesem den Kontrapunktisten, der sie mehrstimmig setzte, harmonisierte, kontrapunktisch bearbeitete - eine Sonderung, die aus der häufigen Trennung dieser beiden bei uns mit seltenen Ausnahmen verbundenen Tätigkeiten hervorging. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 742]