Barock (1865)
Barock, barocco, nennt man in der Kunst wie auch im gewöhnlichen Leben, was durch verworrene Überladung mit heterogenen Einzelheiten und prätentiösen Sonderbarkeiten als Ausdruck einer ebenso verworrenen wie überspannten Empfindung und Vorstellung sich kundgibt. Eine gewisse Art Genialität kann unter Umständen aus dem Barocken sich herauserkennen lassen, aber immer nur eine zerfahrene Genialität, der Klarheit und Organisationsvermögen fehlen und die es daher zu keiner Einheit bringt, sondern eben nur durch Gewaltsamkeit im Aufstellen und Zusammenbringen von Ungehörigem, durch anspruchsvolle Originalitätssucht ihren Mangel an Echtheit beweist. In der Musik äußert sich diese Eigenschaft durch Anhäufung gesuchter und schwer zu intonierender Fortschreitungen in der Melodie; durch Überladung der Harmonie mit verworrenen Akkordfolgen, hastigen und frappierenden Ausweichungen; durch unmäßigen Gebrauch der Dissonanzen und Regellosigkeit und Verzerrtheit der Rhythmik usw. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 91f]